Arbeit über alles? Das ist für die österreichische Bevölkerung ein Minderheitenprogramm. Nur acht Prozent stimmen der Aussage "Arbeit sollte immer an erster Stelle stehen, auch wenn das weniger Freizeit bedeutet" voll und ganz zu, weitere 21 Prozent "eher schon" – aber 32 Prozent stimmen der Aussage eher weniger und weitere 31 Prozent gar nicht zu. Das geht aus einer Umfrage des Linzer Market-Instituts unter 800 repräsentativ ausgewählten Wahlberechtigten hervor.

Es zeigt sich, dass Männer und ältere Befragte eher auf Freizeit zu verzichten bereit sind – und dass im Zeitvergleich mit 2022 die Neigung, Arbeit über die Freizeit zu stellen, etwas zugenommen hat – der Anteil derjenigen, für die Arbeit die höchste Priorität darstellt, ist unter Menschen mit niedriger Bildung größer als im Segment mit höheren formalen Abschlüssen.

Gruppe von Arbeitskolleginnen und Kollegen, die gemeinsam einen Kaffee trinken und lachen
Vor sechs Jahren haben noch 41 Prozent der Beschäftigten einen Einser für die Aussage gegeben, dass ihnen ihre Arbeit Spaß macht – jetzt sind es nur noch 27 Prozent.
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Sinnvolle Arbeit

Umgekehrt ist Menschen mit höherer Bildung in höherem Maße wichtig, dass ihre Arbeit sinnvoll ist. Market-Institutsleiter David Pfarrhofer sagt dazu: "Dass Menschen sinnvolle Arbeit hoch schätzen, ist für die österreichische Bevölkerung von großer Bedeutung – die Hälfte der Befragten gibt dafür die Höchstnote. Und auch im Vergleich zu früheren Untersuchungen sehen wir eine sehr hohe Zustimmung zu der Aussage, dass sich die Werte des Arbeitgebers mit den eigenen Werten decken müssen. Die höchste Zustimmung dazu kommt von jüngeren Befragten, da spielt wahrscheinlich ein gewisser gesellschaftlicher Wandel mit."

Und wenn man Arbeit als sinnvoll und befriedigend empfindet, dann ist man auch eher bereit, eine dienende Funktion zu übernehmen, "um die Kunden, Gäste oder Klienten zufriedenzustellen" – 16 Prozent der Befragten sind dazu voll und ganz bereit, weitere 39 Prozent "eher schon".

Besonders viele ältere Befragte, Menschen in Führungspositionen und Wähler der FPÖ zeigen eine hohe Bereitschaft zum Dienst am Kunden. Rund die Hälfte der Befragten bekundet mehr oder weniger deutlich Freude an körperlicher Betätigung bei der Arbeit.

Karriere durch Leistung

Beinahe sieben von zehn Befragten zeigen sich zuversichtlich, dass man mit guten Leistungen Karriere machen kann. Meinungsforscher Pfarrhofer: "Nur sechs Prozent glauben gar nicht, dass es einen Zusammenhang von Leistung und beruflichem Erfolg gibt. Die Wählerschaft der ÖVP ist besonders stark vom Leistungsgedanken beseelt – unter Freiheitlichen und politisch unentschlossenen Personen gibt es eine Gruppe, die Zweifel hegt, dass Karriere auf Leistung beruht. Wir haben eine inhaltlich ähnliche Aussage anders formuliert, indem wir die Aussage vorgelegt haben, dass man mit harter Arbeit auf lange Sicht zu einem besseren Leben kommt. Dem stimmt nur noch die Hälfte mehr oder weniger deutlich zu – und von 14 Prozent gibt es eine eindeutige Ablehnung."

Die Idee, auf Geld zu verzichten, um dafür mehr Freizeit zu bekommen, hat gegenüber 2022 etwas an Attraktivität eingebüßt – für drei von zehn Befragten ist es aber immer noch eine interessante Option, besonders positiv äußern sich die Wählerschaften von SPÖ und Grünen.

Weniger Spaß

DER STANDARD ließ jene Studienteilnehmer, die einer bezahlten Arbeit nachgehen, noch weiter befragen, wie sie ihre Arbeitssituation einschätzen. Pfarrhofer: "Wir haben 2018, also vor Corona, Berufstätige gebeten, eine Schulnote dafür zu vergeben, wie viel Freude sie an ihrer Arbeit haben. Damals war die Durchschnittsnote 1,9. Vor sechs Jahren haben noch 41 Prozent einen Einser für die Aussage gegeben, dass ihnen ihre Arbeit Spaß macht – jetzt geben nur noch 27 Prozent einen Einser – die Durchschnittsnote ist nur noch 2,14. Und wir sehen, dass Ältere im Schnitt viel zufriedener sind als Junge."

Market fragte weiter: "Und wie wird sich das in Zukunft, also in den nächsten Jahren entwickeln? Wenn Sie wieder alles in allem nehmen, welche Schulnote würden Sie von eins für ‚Mir wird meine Arbeit auch in Zukunft Spaß machen‘ bis zu fünf für ‚Ich werde in meiner Arbeit fast nur frustriert sein‘ geben?" Hier sinkt der Notenschnitt noch einmal. Betrug er im Jahr 2018 noch 2,01, so sank die Note nun auf 2,35. Nur 20 Prozent der befragten Beschäftigten gibt einen Einser, vor sechs Jahren waren es noch 37 Prozent.

An der Bezahlung allein kann es nicht liegen. 19 Prozent sagen, dass sie sehr zufrieden mit den jeweils jüngsten Kollektivertragsabschlüssen seien, 46 Prozent sind immerhin zufrieden, 17 Prozent weniger zufrieden und sieben Prozent gar nicht zufrieden. Ältere Beschäftigte sind mit den KV-Abschlüssen tendenziell zufriedener, Arbeiter sind etwas weniger zufrieden als Angestellte.

Wunsch nach Freizeit

In dieser vertieften Befragung wurde auch noch deutlicher, wie wichtig Sinnstiftung bei der Arbeit ist: Nur 18 Prozent bezeichnen einen hohen Verdienst als das Wichtigste in der Arbeitswelt. Dagegen sagen 59 Prozent, dass es besser sei, "einen unbefriedigenden Job zu verlassen, als ihn jahrelang weiterzumachen". Ähnlich viele stimmen der Aussage zu, dass Krankheitsanzeichen und Stresssymptome ein Signal sind, beruflich zurückzustecken. Mit 55 Prozent Zustimmung ist auch die Aussage, ein Job mit wenig Freizeit sei unattraktiv, mehrheitsfähig.

Jeder dritte Beschäftigte meint, der öffentliche Dienst sei ein besonders guter Arbeitgeber, jeder vierte Beschäftigte wünscht sich, in einem Zweitberuf dazuverdienen zu dürfen, und nur jeder fünfte Beschäftigte hält es für erstrebenswert, eine Lebensstellung zu haben, bei der man nie den Arbeitgeber wechseln muss. Allerdings: Ebenso viele Beschäftigte sagen genau das Gegenteil, nämlich dass es erstrebenswert sei, öfter den Job zu wechseln, um viele Erfahrungen zu sammeln.

Endlich abschalten

Und wenn der Arbeitstag vorüber ist? Da will die Mehrheit abschalten und nicht mehr an die mit der Arbeit verbundenen Aufgaben und Probleme denken: 32 Prozent der Berufstätigen stimmen dem völlig und weitere 33 Prozent überwiegend. Allerdings: Jeder elfte Berufstätige lehnt die Trennung zwischen Berufs- und Arbeitswelt insoweit ab, als es als okay gilt, berufliche Angelegenheiten auch in der Freizeit im Kopf zu haben. So viel zur Wunschvorstellung.

Tatsächlich räumt in derselben Befragung die Hälfte der befragten Berufstätigen ein, dass sie in der Freizeit etwa berufliche E-Mails bearbeitet – und 44 Prozent halten es für selbstverständlich, auch außerhalb der Arbeitszeit für den Arbeitgeber erreichbar zu sein. Dafür gibt es offenbar einen hohen sozialen Druck, denn der arbeitende Teil der Befragten antwortet hier nicht anders als jener, der nicht (mehr) im Berufsleben steht.

Gut die Hälfte der Berufstätigen stimmt auch völlig (21 Prozent) oder weitgehend (35 Prozent) der Aussage zu, möglichst bald in Pension gehen zu wollen. Sogar bei den Befragten unter 30 Jahren schielt jeder Zweite schon auf einen baldigen Pensionsantritt. (Conrad Seidl, 1.5.2024)