Spaghetti Nudeln Pasta Marathon
Kohlenhydrate schaden prinzipiell nicht. Doch von einer wahren Spaghettiorgie oder auch von fünf Tellern Kaiserschmarrn am Vorabend des Marathons raten Experten ab.
REUTERS/BRIAN SNYDER

Wien – Es war ein gefundenes Fressen für die um Wortspiele selten verlegene Sportjournaille. "Sieger ließ die Hosen runter", titelte der "Kurier". "Vom denkwürdigen Schnellschuss" wusste "Die Presse" zu berichten. "Nach Klo-Pause im Grünen 'erleichtert' zum Triumph", blieb die "Kronen Zeitung" vergleichsweise nüchtern. Im Vienna City Marathon vor dreißig Jahren, exakt am 10. April 1994, feierte der Portugiese Joaquim Silva in 2:10:42 einen insofern denkwürdigen Erfolg, als er unterwegs aus nur allzu menschlichen Gründen einen Notstopp hatte einlegen müssen. Mit Magenschmerzen zum Marathonsieg – das hatte und hat Seltenheitswert.

"Ich war furchtbar nervös, hatte deshalb Durchfall", berichtete Silva im Ziel. Bei Kilometer 23 war er plötzlich mit einem Stück Klopapier in der Hand aus der Spitzengruppe abgebogen und hatte sich am Donaukanal in die Büsche geschlagen. VCM-Rennleiter Hannes Langer reagierte flott und schickte einen Tempomacher zurück, der Silva wieder an die Führenden heranbrachte. Wenig später setzte sich der Portugiese ab, diesmal in die andere Richtung, und lief solo ins Ziel. Mehr als zwei Minuten später kam der Italiener Davide Milesi als Zweiter an, er beklagte sich darüber, dass er bei einer Verpflegungsstation eiskaltes Wasser erwischt habe. "Deshalb musste ich dauernd rülpsen."

Tipp: keine großen Experimente

Gegen plötzliche Nervosität mag kaum ein Kraut gewachsen sein. Aber dass ein Spitzenläufer oder eine Spitzenläuferin ein unpassendes Getränk erwischt, ist heutzutage fast undenkbar und in der 41. Auflage des Vienna City Marathons (VCM) am Sonntag praktisch auszuschließen. Zum einen wird auf die Temperatur geachtet, zum anderen haben fast alle Profis ein selbst vorbereitetes Getränk. Unter den Hobbyisten kommen Fehler, was die Nahrungsaufnahme vor einem oder während eines großen Laufs betrifft, schon öfter vor. Welche die größten sind, erklärt VCM-Rennarzt Robert Fritz dem STANDARD. Sein genereller Rat für die Tage vor dem Marathon? "Bitte keine großen Experimente machen!"

Sich am Samstag noch richtig den Bauch vollzuschlagen mit vier Tellern Kaiserschmarrn oder fünf Tellern Nudeln, das wäre ein solches Experiment, von dem Fritz abraten würde. "Ein voller Tank ist schon wichtig", sagt er. Aber ein übervoller Tank könnte zu einer unruhigen Nacht führen, damit wäre niemandem gedient. Vor Jahren oder Jahrzehnten hätten nicht weniger Läufer und Läuferinnen den Ansatz verfolgt, ihre Glykogenspeicher zunächst zu entleeren und dann eben erst am Marathon-Vortag etwa mit Unmengen an Nudeln wieder voll aufzuladen. Davon sei man abgekommen, sagt Fritz, weil sich dadurch die Infektionsanfälligkeit erhöht habe. Wobei Kaiserschmarrn und Nudeln, also Kohlenhydrate, prinzipiell nicht schaden können. Aber alles mit Maß und Ziel.

Tipp: Verpflegungsstationen nützen

"Reinstopfen, was geht, ist sicher falsch", sagt auch Gerhard Hartmann, der den VCM drei Mal in Serie gewonnen (1985–87) und dabei 1986 einen österreichischen Rekord fixiert hat (2:12:22), den erst Günther Weidlinger 2009 brechen sollte. Hartmann, mittlerweile 69, geht immer noch täglich laufen und betreibt Gymnastik, er propagiert "eine Ernährung, die übers ganze Jahr stimmen und in den letzten Tagen vor dem Marathon nicht anders sein sollte als sonst". Dass sein Rekordlauf 1986 auch punkto Verpflegung extrem geriet, konnte der Tiroler nicht verhindern, daran war das Wetter schuld, es war bitterkalt, vor dem Start fielen sogar Schneeflocken. "Ich hab unterwegs praktisch nichts getrunken", erinnert sich Hartmann, "weil meine Finger so kalt waren, dass ich nichts in der Hand halten konnte."

Marathon Verpflegungsstation Becher Trinken
Ein guter Tipp: kurz einbremsen, zugreifen, trinken, weiterlaufen. Doch nicht wenige machen den Fehler, gleich die erste und vielleicht auch noch die zweite Verpflegungsstation auszulassen.
APA/TOBIAS STEINMAURER

Ganz so kalt wird es am Sonntag nicht, ordentlich frisch aber jedenfalls, mit circa fünf bis circa zehn Grad ist zu rechnen. Umso mehr appelliert VCM-Arzt Fritz an alle Marathonis: "Bitte nützt die Verpflegungsstationen." Nicht wenige würden den Fehler machen, die erste Station bei Kilometer 5 und vielleicht auch die zweite bei Kilometer 10 auszulassen. Das räche sich später. "Wer das tut, kriegt hintenraus ein Problem." Das beim VCM angebotene Sportgetränk (Powerade) habe mehr als Wasser zu bieten, nämlich Zucker, also Energie. Es sei aber kein Fehler, das Getränk im Training schon ausprobiert zu haben. Denn wie viele Sportgetränke enthält auch jenes beim VCM Fruktose, und Fruktose vertragen nicht alle Menschen gut. Wasser allein, sagt Fritz, wäre keine Alternative, weil es nur den Flüssigkeits-, aber nicht den Energieverlust ausgleiche. Bananen, die ebenfalls angeboten werden, oder selbst mitgeführte Gels können helfen. "Die Wirkung von Kohlenhydraten im Ausdauerbereich", sagt Fritz, "ist in Stein gemeißelt."

Tipp: ein frühes Abendessen

Viele Marathonteilnehmer haben die Angst, sich am Morgen des Marathontags nicht rechtzeitig erleichtern zu können und sich dann in einer langen Schlange vor einem Mobil-WC im Startbereich wiederzufinden. Ein vielleicht etwas früheres Abendessen am Samstag garantiert diesbezüglich fast automatisch durchbrechende Erfolge, sagen Fritz und Hartmann. Beide raten zu einem Dinner um spätestens 18 Uhr. Das Gefühl, knapp vor dem Start noch unbedingt pinkeln zu müssen, komme meistens auch nicht von ungefähr. Sondern daher, dass viele auch aus Nervosität ihrem Körper noch in der letzten Stunde vor dem Marathon einen halben Liter bis Liter Flüssigkeit zuführen. "Das ist zu früh und zu viel", sagt Sportmediziner Fritz. "Wer vor dem Marathon alles zerreißen will", fügt Dreifachsieger Hartmann hinzu, "den kann es dann im Marathon leicht zerreißen." (Fritz Neumann, 19.4.2024)